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Montag, 25. November 2024

63,4 % der Erwerbstätigen wollen spätestens mit 63 Jahren in Rente gehen / Bereitschaft, länger zu arbeiten, nimmt geringfügig zu / Verhältnis zwischen Alt und Jung generell positiv und konfliktfrei

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Berlin (ots) –

Trotz unklarer Zukunft und absehbaren Abschlägen: Eine große Mehrheit der Erwerbstätigen in Deutschland wünscht sich, spätestens mit 63 Jahren in Rente gehen zu können. Zwar nimmt die Bereitschaft, länger zu arbeiten, im Vergleich zu den Vorjahren etwas zu. Zugleich wäre jedoch ein gutes Drittel derjenigen, die über das 65. Lebensjahr hinaus erwerbstätig sind, eigentlich gerne schon früher in Rente gegangen. Entgegen weit verbreiteter Annahmen ist das Verhältnis zwischen den unterschiedlichen Altersgruppen in der Arbeitswelt grundsätzlich positiv. Dies sind die Ergebnisse einer Studie des gemeinnützigen Demografie Netzwerks ddn, für die deutschlandweit 2.500 Erwerbstätige befragt wurden.

Wunschalter für die Rente

Wenn sie es sich frei aussuchen könnte, würde eine deutliche Mehrheit von 63,4% der Erwerbstätigen nicht länger als bis 63 arbeiten, ein gutes Drittel (36,6%) würde sogar schon mit 61 oder früher aufhören. Besonders ausgeprägt ist der Wunsch nach einem frühestmöglichen Renteneintritt unter Ledigen und Personen ohne beruflichen Abschluss. In der Altersgruppe der 40 bis 49-Jährigen wollen rund 70% nicht länger als bis 63 arbeiten, ebenso gilt dies für Menschen mit mittlerem oder einfachem Bildungsabschluss und einer dualen Berufsausbildung. Aber auch bei jüngeren Erwerbstätigen scheint die Vorstellung vom langen Arbeitsleben nicht populär: Nur knapp 15% der Erwerbstätigen unter 30 Jahren können sich vorstellen, bis zum Renteneintrittsalter von 67 Jahren zu arbeiten.

Bereitschaft, länger zu arbeiten

Im Vergleich zu den Vorjahren ist die Bereitschaft, länger zu arbeiten, zwar etwas angestiegen, dennoch können sich gerade einmal 15,8% der Erwerbstätigen vorstellen, bis 67 Jahre oder länger zu arbeiten. Dass die Bereitschaft, länger zu arbeiten, mit dem Lebensalter offensichtlich steigt, haben bereits viele Studien aufgezeigt. Die Daten der aktuellen Studie bestätigen zwar diese grundsätzliche Perspektive, verzeichnen aber durchaus Schwankungen in den Altersgruppen. Von den Erwerbstätigen, die älter als 65 sind, kann sich fast jede/r Zweite (44,2%) vorstellen bis 67 oder länger zu arbeiten. Aber selbst bei diesen Erwerbstätigen ist für drei Viertel irgendwann Schluss. Nur 25% können sich vorstellen, mit über 70 noch zu arbeiten. Betrachtet man die Bereitschaft zur Weiterarbeit nach der beruflichen Stellung, so sind es insbesondere leitende Angestellte, die weitermachen wollen (17,6%).

Bedingungen fürs längere Arbeiten

Was könnte die Bereitschaft von Menschen verändern, länger zu arbeiten? Bei dieser Frage zeichnet sich ein deutliches Bild ab. Mit 41,1%nannten die Erwerbstätigen das „freie Wählen der Arbeitszeit“ als wichtigsten Ansatz, gefolgt von „mehr Gehalt“ (40,0%) sowie „weniger körperliche Belastung oder Stress“ (38,7%). Aber auch eine freie Wahl des Arbeitspensums (34,8%) kann eine Rolle spielen, und die Wertschätzung durch Vorgesetzte nannten immerhin 30,2 % als nötige Veränderung, um weiterzuarbeiten.

Die Detailergebnisse machen auch unterschiedliche Lebenslagen und soziale Verhältnisse in der Arbeitswelt deutlich. Während Arbeiter hauptsächlich mit mehr Gehalt (51,1%) zur Weiterarbeit zu bewegen wären, steht für leitende Angestellte eher die freie Wahl der Arbeitszeiten (48,2%) an erster Stelle. Arbeitszeit (54,5%) und Arbeitsbelastung (50,8) spiegeln in der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen offensichtlich die Angespanntheit der Lebensphase wieder, ebenso bei Erwerbstätigen mit Kindern (47,8% Belastung und 46,7% Arbeitszeiten). Einen ganz anderen Fokus haben hingegen die Erwerbstätigen ohne Abschluss: Hier nannten 42,2% eine „positive Einstellung gegenüber Älteren“ als hauptsächliche Voraussetzung für längeres Arbeiten im Alter.

Bedeutung der Arbeit

Vor dem Hintergrund wiederkehrender Diskussionen über sogenannte Generationenunterschiede ist die Studie auch der Frage nachgegangen, welche Bedeutung Arbeit generell für die Erwerbstätigen hat. Zwar zeigen sich hier deutliche Unterschiede zwischen der jüngsten und der ältesten Altersgruppe: Bei den 18- bis 29-jährigen sagen 62,8 %, dass ihnen ihre Arbeit viel bedeute, in der Altersgruppe über 65 sind dies 86,8 %. Allerdings ist dabei nicht die Stimme derjenigen Über-65-Jährigen erfasst, die nicht mehr im Erwerbsleben stehen. Generell geben also Ältere öfter eine hohe Bedeutung der Arbeit an. Es bleibt jedoch fraglich, ob dieser Effekt vollständig einen möglichen Wertewandel zu einer geringeren Bedeutung der Arbeit über die Generationen hinweg ausgleicht. Ungeachtet dessen zeigt sich auch bei der Frage nach der Bedeutung der Arbeit, dass sozialer Status und Bildung einen deutlichen Einfluss auf die Bedeutung der Arbeit haben. Bei Erwerbstätigen ohne Berufsabschluss sieht nur jede/r Zweite viel Bedeutung in der eigenen Arbeit, bei leitenden Angestellten jedoch 80,4%. Und wer noch in Ausbildung ist, ist fast so begeistert von der Arbeit wie die Führungsetage oder die Generation Ü65: 85,5% der Azubis bedeutet ihre Arbeit viel. Jugendlichkeit steht der Begeisterung also nicht im Wege.

Verhältnis von Alt und Jung

Entgegen weit verbreiteter Annahmen zeigt sich das Verhältnis zwischen den Generationen im Erwerbsleben weitgehend harmonisch, konfliktfrei und solidarisch. Das Bild von älteren Kolleginnen und Kollegen ist durch alle Altersgruppen hindurch deutlich positiv, mit durchschnittlich 81,8%. Lediglich 2,5% haben ein negatives Bild von Älteren. Auch die Jüngeren stehen diesem Eindruck kaum nach: 76,4% aller Befragten geben an, einen positiven oder sehr positiven Kontakt zu Jüngeren zu haben, nur 4,7% antworten negativ.

Das größte Konfliktpotenzial mit Jüngeren liegt bei Erwerbstätigen ohne Abschluss mit einer negativen Einstellung von 13,3%, das größte Konfliktpotenzial mit Älteren besitzt die junge Altersgruppe der 18- bis 29-jährigen mit 12,5%. Die Hauptursache für Konflikte scheint im Empfinden zu liegen, dass Ältere den Jüngeren Wissen vorenthalten. In der Altersgruppe 18 bis 29 erleben dies gut 30%, während 18,9% dieser Gruppe auch „häufige Spannungen und Konflikte“ bis hin zu Feindseligkeiten (10,7%) beobachten.

Mehrheitlich prägen aber kooperative Verhaltensmuster das Bild. „Gegenseitige Unterstützung“ wird mit 50,0% als besonders häufig erlebtes Verhalten genannt, gefolgt vom „Teilen von Wissen“ mit 49,3% und „Voneinander Lernen“ mit 48,1%. 14,5% erleben sogar Freundschaften zwischen älteren und jüngeren Kolleginnen und Kollegen.

Einschätzungen zur Studie

Die Ergebnisse der Studie bewerten Niels Reith vom Vorstand des Demographie Netzwerks ddn sowie Prof. Dr. Ulrike Fasbender von der Universität Hohenheim und Dr. Melanie Ebener von der Bergischen Universität Wuppertal, die die Studie fachlich begleitet haben.

Niels Reith,

Vorstandsmitglied beim Demographie Netzwerk ddn

Link zum Profil von Niels Reith bei GVG (https://gvg.org/de/topic/18.alle-personen.html?id=21)

Renteneintritt & Bereitschaft, länger zu arbeiten

„Grundsätzlich müssen wir feststellen, dass es bei der Mehrheit der Erwerbstätigen nach wie vor keine Bereitschaft gibt, auch nur bis zum derzeit gültigen Renteneintrittsalter zu arbeiten. Für Unternehmen ist das keine gute Nachricht. Angesichts einer Renteneintrittswelle der Baby-Boomer wird sich der Fachkräftemangel also nochmals verschärfen.

Auch die Politik wird sich Gedanken machen müssen, denn wegfallende Beschäftigte sind wegfallende BeitragszahlerInnen im Rentensystem. Wenn sich der Trend zur vorgezogenen Rente weiter auswächst, kommt das umlagefinanzierte System noch stärker unter Druck.

Die leicht gestiegene Bereitschaft, länger zu arbeiten, könnte mit dem Wegfall der Zuverdienstgrenze zu tun haben. Wie die Studie zeigt, ist Geld im Hinblick aufs Arbeiten im Alter durchaus ein Faktor. Geld allein reicht allerdings nicht aus, um Menschen länger in Beschäftigung zu halten, dazu ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen nötig.

Die Kombination aus Arbeitszeit, Gehalt und Arbeitsbelastung macht deutlich, dass die Beschäftigten sich ein altersgerechtes Arbeitsumfeld wünschen. Sie sind offensichtlich leistungsbereit, aber zu veränderten Bedingungen. Dass Wertschätzung eine besondere Bedeutung hat, sollte Unternehmen froh stimmen, denn diesen Faktor können sie mit dem geringsten Aufwand sicherstellen.“

Generationenverhältnis

Wir sehen in einzelnen beruflichen Umfeldern Probleme, aber wir sehen eben gerade keinen grundsätzlichen Generationenkonflikt. Stattdessen erleben wir Kooperation, Kollegialität und Solidarität. Sich zu unterstützen, Wissen zu teilen und voneinander Lernen prägt den Alltag.

Prof. Dr. Ulrike Fasbender, Universität Hohenheim

Fachliche Begleiterin der Studie

Link zum Lehrstuhl von Prof. Fasbender (https://wirtschaftspsychologie.uni-hohenheim.de/ulrike-fasbender)

Bereitschaft, länger zu arbeiten

Insgesamt zeigen die Ergebnisse ein gefächertes Bild von Arbeitsmotivation, welches auch dafür spricht, dass Arbeitsgestaltung in Zukunft noch individueller und flexibler wird. Im Detail sehen wir, dass grundlegende Dinge wie „Freies Wählen der Arbeitszeiten“, „Mehr Gehalt“ und „Weniger körperliche Belastung/Stress“ Basis-Faktoren sind, die Menschen benötigen um (länger) zu arbeiten. Zwar sind „Wertschätzung“ und „Qualifizierung“ auch wichtige Motivatoren, sie können die Basis-Faktoren aber nicht ersetzen oder kompensieren. Die Ergebnisse zeigen damit einerseits, dass Autonomie und Selbstbestimmung insgesamt mehr in den Fokus rücken. D.h. Menschen verschiedener Altersgruppen möchten mitentscheiden, wann und wie viel sie arbeiten. Gleichzeitig sind eine hohe Arbeitsbelastung und Stress für viele Menschen ein Riesenthema. Wenn die Arbeitsbelastung auf Dauer zu hoch ist, dann halten dem, über die Jahre gesehen, nicht viele stand, was möglicherweise auch mit dem Wunsch einhergeht, früher als gesetzlich vorgesehen in den Ruhestand gehen zu wollen. Arbeitsbedingungen sollten daher so gestaltet werden, dass sie Menschen auf ihrem beruflichen Lebensweg nachhaltig unterstützen und damit ein langes Berufsleben überhaupt möglich machen.

Verhaltensweisen zwischen jüngeren und älteren Kolleginnen und Kollegen

Die Ergebnisse zeigen, dass die Zusammenarbeit zwischen „Alt und Jung“ doch weitaus positiver ist als allgemein vermutet, denn „gegenseitige Unterstützung“, „Teilen von Wissen“ und „Voneinander lernen“ zählen mit Abstand zu denen am häufigsten genannten Verhaltensweisen, die Berufstätige in ihrem Alltag zwischen jüngeren und älteren Kolleginnen und Kollegen erleben. Freundschaften zwischen jüngeren und älteren Kolleginnen und Kollegen kommen allerdings deutlich seltener vor und stehen damit sogar hinter negativen Verhaltensweisen wie „häufige Spannungen/Konflikten“, „Vorenthalten von Wissen“ oder „Unsicheres Umgehen miteinander“. Da Freundschaften zwischen Jüngeren und Älteren viele Vorteile mit sich bringen, wie zum Beispiel höhere Motivation zur Zusammenarbeit* ist hier noch Luft nach oben (Entwicklungspotenzial). Dass Freundschaften auch prinzipiell möglich sind, zeigt zudem die positive Einschätzung des alltäglichen Kontakts zu jüngeren und älteren Kolleginnen und Kollegen, was als Basis für die Entstehung von Freundschaften gesehen werden kann.

Dr. Melanie Ebner, Bergische Universität Wuppertal

Fachliche Begleiterin der Studie

Link zum Lehrstuhl von Prof. Hasselhorn (https://www.arbwiss.uni-wuppertal.de/de/team/hasselhorn/)

Bereitschaft, länger zu arbeiten

Der bekannte Trend, dass Menschen im Laufe des Arbeitslebens ihr gewünschtes Austrittsalter nach oben korrigieren, könnte ins Wanken geraten sein. Die unterschiedlichen Altersgruppen schwanken stärker in ihrer Einschätzung. Während in der Gruppe der 40- bis 49-Jährigen nur 8% über das gesetzliche Rentenalter von 67 Jahren hinaus arbeiten möchten, sind es in der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen 17% – also ein mehr als doppelt so hoher Anteil. In der noch jüngeren Gruppe 20 bis 29 ist der Anteil aber wieder niedriger (13%). Die Ergebnisse scheinen also sehr direkt eine persönliche Arbeitserfahrung widerzuspiegeln, von der aus man sich die Frage stellt, ob man das bis zur Rente so „durchziehen“ will.

Bereitschaft bei Älteren

Die Gruppe der Erwerbstätigen 65+ ist eine ganz spezielle, es sind sozusagen die „lange in der Arbeit Überlebenden“. Die Bereitschaft, länger zu arbeiten, ist hier mit 32% weit überdurchschnittlich ausgeprägt im Vergleich zur Gesamtheit der Erwerbstätigen. Wer eine längere Beschäftigung für viele ermöglichen will, müsste der Frage nachgehen, welche Voraussetzungen bei diesen Menschen erfüllt waren, die bei allen anderen nicht erfüllt sind.

Bereitschaft, länger zu arbeiten

Die üblichenalterstypischen Aspekte wie Qualifizierung und Perspektiven für Ältere oder eine positive Einstellung gegenüber Älteren werden von einer Mehrheit nicht zuerst genannt, und die Bedeutung dieser Aspekte nimmt in der zweiten Hälfte der Laufbahn auch nicht zu, was man ja durchaus anders hätte erwarten können. Diese Aspekte scheinen also nur „begleitend“ eine Rolle zu spielen. Oder umgekehrt: Wenn Arbeitszeit, Gehalt, Belastung und Stress nicht stimmen, dann wird auch eine positive „Alterskultur“ im Unternehmen nichts rausreißen.

Bedeutung der Arbeit

Insgesamt stimmen sieben von zehn Befragten dem Statement „Die Arbeit, die ich mache, bedeutet mir viel“ zu. Ein allzu düsteres Bild der deutschen Erwerbsbevölkerung ist also nicht gerechtfertigt. Und mit einer Zustimmung von 87% unter Auszubildenden wird deutlich, dass das auch für junge Menschen gilt.

Die Umfrage

Für den Demographie-Index hat das Marktforschungsunternehmen Civey im Auftrag von ddn 2.502 Erwerbstätigte im Zeitraum vom 01.10.2022 bis 10.10.2022 im Rahmen einer Online-Umfrage befragt. Die Erhebung hat insgesamt vier Fragen mit zwölf sozioökonomischen Faktoren wie Alter, Bildung, beruflicher Stellung, Familienstand etc. verknüpft.

Die Fragen zielten auf die Einschätzung der zukünftigen beruflichen Möglichkeiten, die Bedeutung der Arbeit sowie den gewünschten Renteneintritt und die Alterssicherung im Ruhestand.

Über Das Demographie Netzwerk e.V. (ddn):

Das Demographie Netzwerk e. V. (ddn) ist ein gemeinnütziges Netzwerk von Unternehmen und Institutionen, die den demographischen Wandel als Chance begreifen und aktiv gestalten wollen. ddn wurde 2006 auf Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und im Kontext der Initiative neue Qualität der Arbeit (INQA) gegründet. Die Mitglieder engagieren sich mit dem Anspruch „gemeinsam Wirken“ und in kollaborativer Zusammenarbeit. In regionalen und überregionalen Foren, in digitalen und persönlichen Treffen bearbeitet das Netzwerk Themen wie Qualifizierung, Digitalisierung, Führung und Diversity. ddn initiiert, leitet und unterstützt Förder- und Forschungsprojekte zu seinen Themen, aktuell unter anderem die Projekte Dico und KIWW. Seit 2020 verleiht ddn den Deutschen Demografie Preis ddp.

Pressekontakt:
Martina Schmeink
Das Demographie Netzwerk e.V.
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Quelle: ots

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